Ass. Prof. Dr. Heinz Günnewig

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Hooks Ghost 10

Was für ein Käse

Der Bücherbergleser Denis Scheck, umtriebiger Literaturexperte der ARD, der furchtlos, leidenschaftlich und amüsant in »lesenswert« und »druckfrisch« für das Schöne, Gute, Wahre in der Literatur streitet und druckreif formuliert entscheidet, was von den TOP TEN des »Spiegels« lesenswert und was in die Abfalltonne zu werfen ist, hat sich nun (DIE WELT 9.8.2017) Stevensons »Die Schatzinsel« gegriffen und mit flotter Feder eine flockige Erinnerungsrezension geschrieben, in der er »dem größten Abenteuerroman aller Zeiten« mit boulevardesken Behauptungen zu Leibe rückt, die den Tatsachen von 1881 und den Intentionen des Robert Louis Stevenson so gar nicht entsprechen.

Der Roman, der in Fortsetzungen ab September 1881 in der Zeitschrift »Young Folks« und 1883 in Buchform erschien, entstand eben nicht unter Druck, wie Denis Scheck schreibt, »endlich etwas zu liefern, was ihm die Achtung seiner Frau wie auch seines Vaters« bringen sollte. Louis und Fanny befanden sich nach ihrer Heirat (19. Mai 1880, San Francisco) in guter Stimmung, wanderten in der Gegend von Pitlochry, trafen sich mit seinen Eltern, versuchten sich an Gespenstergeschichten. »Die Schatzinsel« entstand in ihrem Ferienhaus in Braemar durch eine gemeinsame Fummelei von Stevenson, seinem 12-jährigen Stiefsohn Lloyd und auch Vater Thomas Stevenson, die die berühmte Schatzinselkarte des Joshua Flint erstellten, woraufhin Stevenson sich mit der Schatzkarte in der Hand ins Bett zurückzog und am nächsten Tag der Familie die faszinierende Eingangsszene vorlas.

Denis Scheck schreibt: »Es ist eine Geschichte darüber, wie man mit einem Stück Parmesan ein sagenhaftes Vermögen von 700 000 Pfund erlangen kann.« Der Käse, auf den Denis Scheck verweist, wird von dem hüpfenden Ausgesetzten der Insel Ben Gunn von Jim Hawkins erbeten: »Du hast nich zufällig ein Stück Käse bei dir, oder? Nee? Ach, viele Nächte hab ich von Käse geträumt – meistens geröstet...«; denn der Inselbewohner musste sich jahrelang mit Ziegen, Beeren und Austern begnügen. Wie Denis Scheck die 700 000 Pfund, die Ben Gunn als silberner Schatz in Sicherheit gebracht hatte, mit Käse in Verbindung bringt, ist eine gewagte Interpretation.

Der Welt-Rezensent nennt die Gestalt des Long John Silver einen »skrupelosen Mörder« – und tut ihm und Stevenson zu wenig Ehre an. Mit Long John Silver ist Stevenson eine unsterbliche Charakterzeichnung gelungen. Dieser Prototyp des Zwielichts, unvergessliche Held, böse Wiedergänger, dieser Mephisto, der das Böse will und letztlich das Gute schafft, zerreibt den Leser zwischen Hass und Kumpanei, Abscheu und Verbrüderung. Stevenson hat diesen teufelnahen Trickster in vielen seinen Erzählungen in allen Varianten auftauchen lassen. Auch in Jekyll & Hyde.

Der große Nabokov, erbarmungsloser Literaturkritiker, hat gemahnt, auf Details zu achten. Wenn jedoch in Rezensionen Details zu Gunsten persönlicher Vorlieben unbeachtet bleiben, dann ist das wie ein Griff in weichen Käse.

©  Prof. Dr. Heinz Günnewig


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