Hooks Ghost 2
Geklimpere
Es zeichnet sich ab, dass die Parteien im Wahlkampf mit Koffer voller Geld Familien für sich gewinnen wollen: Monatliches Elterngeld, kostenlose Kitas, Bildungskonto, Babybegrüßungsgeld, Baukindergeld. Was denken bildungsferne und bildungsnahe Mitbürger beim dicklippigen FDP-Slogan Kindergeld 2.0?
Die monetären Versprechungen verschleiern die Lage der Kinder und Erziehungsinstitutionen in Deutschland und umkurven auf feige Art, Antworten auf das zu geben, was seit längerer Zeit vor allem in den Printmedien angemahnt wird: Stichworte einer Bildungskrise (FAZ), Vom ersten Tag an (DIE ZEIT), Die Macht der Wörter (GEO), Immer mehr Kinder unter 15 Jahren brauchen Sprachtherapie (SZ), Jedes vierte Kind im Saarland hat Sprachprobleme (SZ), Viele Eltern wissen zu wenig Bescheid darüber, was eine altersadaequate Förderung ist (SZ vom 9.4.2015), Jedes zweite Migrantenkind ist armutsgefährdet (Deutschlandfunk).
Vor den monetären Verheißungen sollten Verantwortliche Stellung beziehen zu einer Pädagogik der frühen Kindheit. Eine überfällige Debatte hat sich zuvörderst mit den Fragen zu befassen: Wie gehen wir mit unsern Kindern um? Wie erlauben wir ihnen Kinder zu sein? Wie dürfen sie sich entwickeln? Und erst randständig mit Ganztagskitaplatzbereitstellungen und Geldzuweisungen. Bildung beginnt nicht zu klimpern wie eine Jukebox nach dem Münzeinwurf.
Kinder brauchen Wärme, Milch, später Brei und ihnen zugewandte und mit ihnen sprechende Personen, sonst nichts. In dieser unmissverständlichen Klarheit äußern sich die beiden renommierten Intelligenzforscher Elsbeth Stern und Aljoscha Neubauer. Pädagogik first vor Geld aus dem Sack.
James Heckman, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Chicago, Nobelpreisträger für Ökonomie hat sich in einem Artikel »Fangt sie früh ein« mit den positiven Auswirkungen frühkindlicher Bildung befasst und dargelegt, dass mit den intellektuellen Förderungen soziale Stärken wie Bindung, Charakter und Selbstkontrolle einhergehen. Gute, frühe Bildung sagt Heckman, entwickelt genau das, was viel später in arbeitsplatzbasierenden Programmen verlangt wird. Heckman ist derjenige, der das Perry-Preschool-Projekt initiierte, in dem afroamerikanische Kinder, sehr junge Kinder aus Risikofamilien gefördert wurden.
Der schlappe Fernsehspot: Schau hin, was dein Kind mit Medien macht, dokumentiert einerseits Verlegenheit, mit der auf die Digitalisierungswelle reagiert wird und offenbart andererseits, wie ahnungslos und unwissend politisch Verantwortliche sich zur Digitalisierung der Bildung äußern, während die Bitkom-Lobby sich händereibend auf die Wanka-Milliarden freut (so gesehen in der Diskussion zur Digitalisierung der Bildung bei Anne Will).
Neuerdings werden Kultusministerien dergestalt aktiv, dass Erziehungsinstitutionen mit digitalen Medien auf- und ausgerüstet werden sollen, womit besonders Migranten Sprache möglichst schnell lernen könnten. Die massiven Bedenken von Medienwissenschaftlern, Ärzten und Psychotherapeuten vor einer Beeinträchtigung kindlicher Entwicklungen durch eine unbedachte und grenzenlose Digitalisierung werden nicht wahrgenommen.
Sherry Turkle, die seit über 30 Jahren Soziologie und Psychologie am Massachussets Institute of Technology lehrt, hat 2012 zur Veränderung unserer Kommunikation durch die digitale Technik der Laptops, Tablets, Smartphones geschrieben: »Kommunikation von Angesicht zu Angesicht entfaltet sich langsam. Sie lehrt uns Geduld. Wenn wir digital kommunizieren, erlernen wir andere Verhaltensweisen. Wir erwarten schnelle Antworten. Damit wir sie bekommen, stellen wir nur noch einfache Fragen. Wir lassen unsere Gespräche verdümpeln.«
Die Annahme, dass bei Erziehenden erhebliche Informationsdefizite bezüglich der Sprachentwicklung junger Kinder konstatiert werden müssen, ist nicht allzu weit hergeholt. Wenn ein Säugling im Kinderwagen mit Armen und Beinen fuchtelt, quiekt und sich Sprudelbläschen auf den Lippen bilden, wie antwortet die flotte Tante auf die Gesprächsaufforderung des Senders und Empfängers, da der alleinerziehende Vater auf Arbeit ist?
Elsbeth Stern und Aljoscha Neubauer fordern für eine Pädagogilk der frühen Kindheit besonders gute Eltern und Erzieher:
➸ Die wissen, dass es für Kinder gilt mit allen Sinnen vor allem die wirkliche Wirklichkeit zu erfassen, so wie es vor Jahren die Max Planck Forscherin Donata Elsenbroich in »Weltwissen der Siebenjährigen« nahe gelegt hat;
➸ Die kommunikativ sensibel sind, um auf das unvollständige, ungewöhnliche, überraschende Denken der Kinder und deren Versuche, dies sprachlich in den Griff zu kriegen, geduldig und ermutigend einzugehen;
➸ Die literarisch gebildet und überzeugt sind, dass gerade Literatur als Medium der Existenzerkundung durch ihre einmalige Langsamkeit für Kinder notwendig ist, die Welt zu verstehen;
➸ die das Wissen haben und demzufolge die Kraft aufbringen digitalen Medien, die durch ihre überwältigende Schnelligkeit das Denken der Kinder verwirbeln, Zügel anzulegen und zur Entwicklung von Klugheit zu nutzen.
➸ die das Wissen haben und demzufolge die Kraft aufbringen digitalen Medien, die durch ihre überwältigende Schnelligkeit das Denken der Kinder verwirbeln, Zügel anzulegen und zur Entwicklung von Klugheit zu nutzen.
Bleibt es weiterhin bei der Kurzatmigkeit, Ahnungslosigkeit und Dümmlichkeit in der Bildungspolitik und demzufolge an ungenügenden Investitionen in junge Gehirne jedweder Herkunft, wird der weitere Ausbau der Polizei unabdingbar sein.
© 2017 Prof. Dr. Heinz Günnewig
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