Ein Andersen Kaleidoskop
von Affiziert bis Zinnsoldat
           von Heinz Günnewig
 

Vorwort

Alles am rechten Platz? Hans Christian Andersen in Bronze ge­gossen – mit drei Köpfen, so die Idee der Stadtverantwortlichen von Odense, der größten Stadt auf Fünen, Geburts­stadt des Dich­ters. Eigenlich eine überzeugende Idee, denn sie trifft den Viel­ge­sichtigen. Doch die Bürger wollen einen Märchenbrunnen mit Hans Chiristian Andersen und seinen Märchenfiguren, die um ihne herum spielen. Andersen würde seine nicht gerade unter­di­men­sio­nier­te Nase rümpfen und wie in einem seiner Mär­chen fragen: Alles am rechten Platz? Sollte dieses märchenhafte Arran­ge­ment Wirk­lich­keit werden, minimalisiert es den poetischen Kos­mo­poli­ten auf Däume­linchen-Größe und presst seine schillernde, kni­sternde und an­sto­ßende Persön­lichkeit bis auf plattes Disney-Zellu­loid-Niveau.

Das große Publikum nimmt zu Andersen etwa dieselbe Stellung ein wie jener Leutnant, der behauptete, Juliuas Caesar könne un­mög­lich ein großer Mann gewesen sein, denn er habe ja nur für die unteren Latein­klassen ge­schrieben. Weil Andersen ein so großer Dichter war, dass er sogar von Kindern verstanden wird, glauben Erwachsene, er sei für sie nicht gescheit genug. Aber der echte Dichter ist ein König Midas: Was er berührt, wird zu Gold; ein we­nig gehören zu ihm aber auch die Esels­ohren, die kindliche Ein­falt.

Andere haben mir glücklicher-, dankens- und denkens­werter Weise die Mosaik­steine in die Hand gelegt; mit detail­reichen Schil­de­rungen, einfühlsamen Er­fassungen, scharfen Ana­ly­sen und akri­bi­schen Nach­for­schungen. Andersen selbst ist der vielfach schillerde Verführer, das mannig­fach gebrochene Wesen, die poetisch geniale Persön­lichkeit, die einen in seine unter­irdische Welt mit­nimmt und aufgetaucht Empathie erwartet. Soweit mein Fall.

Scherben sind Bruch­stücke aus Mosai­ken, groß, win­zig, glatt, gezackt, scharf­kantig, hell, dunkel, farbig, durch­scheinend. Bei Andersen sind noch viele Scher­ben zu suchen, man kann sich mit ihnen amüsie­ren oder sich an ihnen ver­letzen. Auch ge­blendet werden. Zusammen­gelegt entsteht ein fra­giles Ka­lei­dos­kop. Einmal gedreht und schon ergibt sich ein anderes Bild; alles am rechten Platz?

Prof. Dr. Heinz Günnewig 2006

ISBN 2-87996-753-8
1. Auflage 2006
168 Seiten
Hardcover, Fadenheftung


Idee, Konzeption, Texte
Prof. Dr. Heinz Günnewig, seit 2008 freier Mitarbeiter in der Fakultät für Sprach­wissen­schaf­ten und Lite­ratur, Geistes­wissen­schaften, Kunst und Erziehungs­wissen­schaften der Uni­versität Luxembourg.

Als überzeugter Didaktiker auf der Seite derjenigen, die mit unermüdlicher Lust lesen – oder dies lernen möchten, findet, dass der grandiose Däne die Klaviatur der Emotionen zwischen Zer­rissen­heit und Gerissen­heit bis ins zarteste Ge­klim­pere perfekt be­herrschte und damit allen Men­schen wunder­volle, wunder­same, wunderbar – erhellende Spiegel in die Hand gab.

Buchgestaltung
Tom Diederich

Alle Rechte auch der auszugsweise Veröffentlichung und für alle Länder vorbehalten durch ©Tom Diederich Publishing, Luxembourg